Wer unterwegs mit dem Handy mobile Inhalte nutzen möchte, hat prinzipiell zwei Möglichkeiten: Der Internetzugang über den im Handy integrierten Browser. Oder die Nutzung einer zuvor auf dem Handy installierten Applikation, die ihre Inhalte via Datenverbindung nachlädt.Eine Applikation hat dabei den Vorteil, dass sie Menüstruktur, Layout-Elemente und evtl. erforderliche Zugangsdaten quasi eingebaut hat. Sie müssen nicht stets neu aus dem Internet bezogen werden sondern sind in der Applikation hinterlegt. Über die Internetverbindung werden i.d.R. nur noch Rohdaten wie z.B. Texte und kleine Bilder bezogen, die dann innerhalb der Applikation dargestellt werden. In Zeiten teurer Datentarife schont das den Geldbeutel.
Angetrieben vom Mobilfunkdiscounter Simyo purzeln die Preise für die mobile Internetnutzung rapide. Erst vor wenigen Tagen überraschte Simyo mit einer 1 GB "Flatrate" für die Nutzung des mobilen Internets im E-Plus-Netz, das zugegeben eher schlecht ausgebaut ist. Nichtsdestotrotz setzt Simyo andere Marktteilnehmer unter Zugzwang, so dass sich die mobile Internetnutzung mehr und mehr durchsetzen wird, je weiter die Preise auch bei anderen Anbietern fallen.
Und dann verlieren Client-Applikationen ihre Vorteile. Denn die Nutzung des mobilen Internets über den eingebauten Handybrowser ist viel komfortabler:
- Die Inhalte stehen sofort zur Verfügung, kein Download und langes Warten auf Inhalte.
- Webbasierte Inhalte lassen sich untereinander verlinken. Applikationen stehen isoliert allein, ganz ähnlich wie die berüchtigte AOL-Zugangssoftware ("walled garden").
- Um Applikationen aufs Handy zu laden, ist entweder eine Verbindung mit dem PC notwendig, oder der Nutzer erhält einen WAP-Push-Link oder er sucht zuvor im mobilen Internet nach dem Downloadlink. Es entsteht also ein Medienbruch.
- Das Programmieren von Applikationen ist viel aufwändiger als die Produktion webbasierter, mobiler Inhalte. Zwar unterscheiden sich auch Handybrowser in ihren Displaygrößen, Navigationsformen und Funktionalitäten, doch Plattformbetreiber wie Netbiscuits passen die Inhalte automatisch dem jeweils aufrufenden Endgerät an. Kommt ein neues Handy auf den Markt, sind dessen Spezifikationen binnen weniger Tage in der Netbiscuits-Datenbank, während eine Applikationen u.U. komplett für das Betriebssystem des neuen Handys umgeschrieben werden muss.
- Für webbasierte Inhalte gibt es keine berüchtigte "Liste unterstützter Geräte", durch die man sich vor einem Download mühsam durchklicken muss.
- Webbasierte Inhalte sind schneller und leichter erstellt. Wie zuvor dargestellt, müssen Applikationen an ganz unterschiedliche Betriebssysteme und Programmiersprachen angepasst werden, sofern sie auf vielen Geräten laufen sollen. Und das ist teuer. So ist auch der Hype um die iPhone-Applikationen unberechtigt: Die meisten Handynutzer bleiben von ihnen ausgeschlossen, weil iPhone-Apps nun mal nicht auf Nokia-, Sony- Motorola-, etc. Handys funktionieren.
- Applikationen stellen Inhalte nicht lesbarer dar, als dies auch mobile Websites könnten. Wenngleich Robert Basic die Ergonomie der NY-Times-iPhone-Applikation lobt, so lassen sich die speziellen iPhone-Funktionen, wie z.B. auf "Breitformat" gedrehte Webseiten oder Slide-Effekte, auch webbasiert umsetzen.
- Ist eine Applikation einmal installiert, kann sie nachträglich nicht einfach um neue Funktionen erweitert werden - es sei denn, man installiert ein Update. (Wiederum vorausgesetzt, man erfährt überhaupt, dass es ein Update gibt.) Webbasierte Inhalte sind immer aktuell und lassen sich leichter an "Trends" z.B. hinsichtlich Navigation und Darstellungseffekten anpassen. Das Mobile Business ist jung und entwickelt sich rasant. Starre Applikationen können da nicht mithalten.
- Webbasierte Inhalte verbrauchen keinen Speicherplatz, müssen nicht deinstalliert werden und verleiten die Nutzer dadurch schneller zum Ausprobieren und Antesten. Bevor man sich eine Applikation installiert, wägt man den Nutzen stärker ab - sofern man ihn überhaupt abschätzen kann. Schließlich lassen sich Applikationen nicht vorab testen, man muss auf die Beschreibung und wenige Screenshots vertrauen.
- Nun zum einzigen Grund, der (derzeit noch) für die Installation einer Applikation spricht: GPS-Ortung und Navigationsanwendungen. Da sich Netzbetreiber, Handyhersteller und Inhalteanbieter um die Killerapplikation GPS rangeln, ist es technisch leider nicht möglich, GPS-Koordinaten vom Gerät an den Handybrowser zu übergeben.
- Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch mobile Websites GPS-Daten verarbeiten können! ;-)
Veröffentlicht am: 2008-11-09 22:16:02